MEHR als du glaubst

Satiren
Arovell Verlag 2017
166 Seiten, € 14,90
ISBN-13: 978-3903189065


 
Von Glaubenskrise keine Spur: In den Echoräumen angeblich sozialer Medien finden unglaublichste Botschaften ihren gläubigen Widerhall. Bloße Fakten genügen nicht mehr, alternative werden verkündet. Politiker glorifizieren künftige Großtaten und predigen den Glauben an eigene Größe und Großartigkeit. Und am Ende erwarten alle eine schöne Bescherung. Vielleicht werden wir uns doch noch alle wundern, was möglich ist.
 

Leseprobe

Afghanen UND Hunde

	
Reden wir mal über Hunde!
Früher hat man gewusst: Ein Afghane, 
das ist eine Hunderasse, ein Windhund, 
ziemlich langhaarig und schlappohrig, 
stolzer Gang, mit spitzem Goscherl. 
Aber seit den 70er-Jahren weiß man bei uns auch: 
Ein Afghane, das ist etwas, 
was man rauchen kann, 
aber nicht soll, auch wenn die Qualität gut ist, 
weil’s keine legale Droge ist, das Heroin.
In den letzten Jahren ist man draufgekommen, Afghanen, 
das sind auch Menschen, kein Hund, kein Rauschmittel, nein, einfach Menschen. 
Na gut, nicht ganz so einfache. 
Und verstehen tut man sie auch schlecht, 
ein Deutsch, nicht zum Aushalten! 
Und viele von denen halten es 
zu Hause nicht mehr aus. 
Sagen sie.

Wenn der Salzburger eine Hunderasse wäre, 
was wäre er dann für ein Hund? 
Auch ein Windhund? 
Ein Kampfhund? 
Ein Handtaschenhund, 
den man in die Festspiele mitnehmen kann? 
Und wenn er eine Droge wäre? 
Könnte man sie rauchen? 
Spritzen? 
Wär sie mit Schokoladeüberzug vielleicht? 
Legal oder illegal?

Und wo geht der Salzburger hin, 
wenn er es zu Hause nicht mehr aushält? 
Vor ein bisserl mehr als 200 Jahren, die Protestanten, 
die sind nach Preußen und nach Amerika. 
Aber heutzutage? 
Am ehesten ins Wirtshaus. 
Dahin gibt’s die meisten Schlepper. 
Oder in die innere Migration,
sprich: in die Depression. 
Aber sicher nicht nach Afghanistan.
Der Afghane, der kommt zu uns. 
Nein, nicht der Hund. 
Gegen den hätten wir nichts. 
Man muss ihn nur gut anleinen. 
Den Hund. 
Weil sonst ist der nicht zu bremsen. 
Der Hund. Und auch der Mensch. 
Drum heißt der Afghane vermutlich Afghane, 
weil er immer ausbüxt. 
Das ist windhundtypisches Verhalten. 
Afghanen eben.
Warum kommen keine Münsterländer oder Weimaraner 
zu uns und wollen Asyl? 
Warum?
Bloß Afghanen. Schon seltsam.
Man sagt ja, dass der Afghane sehr sensibel ist, 
der Hund, logisch. 
Allerdings kann er bei falscher Handhabung 
misstrauisch gegenüber Fremden werden. 
Da ist er wie der Salzburger. 
Allerdings gibt es bekanntlich keine Hunderasse, die so heißt. 
Salzburger sind nur menschlich. 
Als Hund würden wir uns gar nicht so profilieren können. 
Das Hundeleben überlassen wir den Afghanen 
oder den Münsterländern. 
Und wir Salzburger würden doch nie 
nach Afghanistan flüchten. 
Niemals!
So gut könnten die Drogen gar nicht sein. 
Und so schlecht könnt’s uns bei uns gar nicht gehen.
So auf den Hund könnten wir gar nicht kommen, 
dass wir zu den Afghanen fliehen.

Es gibt ja viele Hunde, die kein Zuhause haben.
Und viele mit Migrationshintergrund, z.B. aus Spanien.
Richtig arme Hunde.
Nicht nur Afghanen. 
Die werden dann adoptiert.
Die armen Hunde.
Aus Spanien.
Dann sind sie keine armen Hunde mehr.
Außer sie halten sich wo auf, wo sie nicht sollten.
Ohne Beißkorb und ohne Leine.
Bei Hunden gibt es die Halter und die Hasser, 
das ist beim Afghanen nicht anders.
Eine kleine Hundewiese ist  für Afghanen 
gar nicht geeignet. 

Die brauchen Auslauf.

Aber das kann man ja auch nicht machen, 
da sind die weg in nullkommanix,
die muss man immer anleinen.

Das Problem ist nicht der Hund, sondern der Mensch, 
gerade beim Afghanen, aber auch beim Salzburger. 
Menschen sind Hunde auf 2 Beinen oder so.
Dass Muslime keine Hunde mögen, 
das muss einem schon zu denken geben.
Wahrscheinlich mögen sie auch keine Menschen.

War schön, mit Ihnen ein bisschen über Hunde zu reden.
So menschlich.
Komm, Tarek, gemma! Schön Fuß gehen!
Immer Fuß!

Seelen mit Migrationshintergrund

Wir haben letztes Mal so nett über Windhunde geplaudert, 
reden wir mal über ganz etwas anderes, 
nämlich über die Seele. 
Nein, nicht über die Hunde-Seele. 
Mein Hund ist zwar eine Seele von einem Tier,
aber es geht jetzt nur um die menschliche Seele. 
Und um die Seelenwanderung.

Gegen Seelenwanderung hat ja niemand was. 
Seelenwanderung ist super. 
Millionen Asiaten wandern da in sich quasi herum, 
immer in sich, jahrhundertelang, 
und bleiben doch dort, unter sich, 
wo sie zu Hause sind. 
Bei den Asiaten sind Seelenwandertage ganz normal, 
aber rein privat, ja intim. 
Von mir aus kann es auch bei uns 
Seelenwandertage geben. 
Religiöse Brauchtumsveranstaltungen im Privatsektor. 
Alles o.k.
Mobile Seelen, die machen kein Problem. 
Man sieht sie nicht, man riecht sie nicht, 
sie brauchen keine Unterkunft. 
Seelen sind urpraktisch und anspruchslos.

Problematisch wird es, wenn auch die Körper wandern wollen. 
Wenn die so einfach aufbrechen, weil sie draufkommen, 
dieses Karma da, das ist nix für mich. 
Ich will ja gar kein Afrikaner sein, zum Beispiel, 
da hat sich meine Wiedergeburt geirrt, 
ich bin da irgendwo seelenmäßig vertauscht worden,
ich gehör nach Europa, das ist meine Bestimmung. 
Dann beginnt das Problem. 
Wenn sich der Körper selbstständig macht, 
sich unrechtmäßig von der Seele entfernt, 
die ihn ja nicht zufälligerweise dort hinbugsiert hat, 
wo er sein soll. 
Wenn er seine örtliche Bestimmung nicht erkennen will 
und sich quasi von der Seele gewaltsam losreißt.

Wenn die Seelen wandern, 
regt das eigentlich niemanden wirklich auf. 
Seelen mit Migrationshintergrund sind kein Problem.
Aber wenn plötzlich viele Körper unterwegs sind, 
kocht die Volksseele. 
Und nicht erst bei 100 Grad. 
Eine ausgekochte Volksseele kann lang still vor sich hinköcheln, 
aber plötzlich kommt sie in Wallung. 
Und die Volksseele mag keine fremden Volkskörper, 
die sie besetzen wollen. 
Die sich bei ihr anhängen wollen. 
Die Volksseele ist ein Organ, das fremde Körper abstößt. 
So ist das. 
Also: Seele: gut, Körper: Problem – 
das ist eine alte katholische Weisheit, 
die wird täglich neu bestätigt. 
Buddhismus und Katholizismus - 
das wäre die ideale Kombination: 
Seelen dürfen ruhig wandern, aber Körper nur touristisch. Sonst nix gut. 

Wobei Seelen ja nur wandern, darum kommen sie 
auch nicht wirklich weit. 
Aber Körper wollen reisen, ja emigrieren. 
Niemand hat gehört, dass Seelen emigrieren, 
eine Seele ist dem Körper lebenslang treu. 
Aber Körper sind untreue Wesen, 
das weiß man ja auch aus der Sexualkunde. 
So ein Körper, der hat Neigungen 
und darum schwankt er 
und ist instabil. 
Vielleicht weil der Schwerpunkt zu hoch angebracht ist. 
Nein, nicht das Hirn, das Herz. 
Ein flexibler Muskel, dehnbar und 
eigentlich eine schiache Pumpe.
Der Körper ist ein physikalischer Borderliner. 
Also unberechenbar. 
Und das ist nicht gut.

Was hört sich besser an: „Die Seele baumeln lassen“ 
oder: „Der Körper baumelt“?
In der Luft etwa. 
Lieber doch die Seele baumeln lassen.
Körper baumeln nicht so schön. 
Und riechen nicht so gut. Wenn sie länger baumeln.
Die Seele, die darf sich ruhig ein bisschen bewegen 
und auch schwanken. 
Der Körper sollte eher stabil sein und fest verwurzelt. 

Seelenverwandte sind mir auch lieber als körperliche, 
die kann man sich aussuchen.
Mein Hund etwa ist mit mir seelisch verwandt.
Den hab ich mir auch selber ausgesucht.
Im Tierheim.
Letztes Jahr, kurz nach Allerseelen.
Mein Lieblingsfest.
Auf dem Friedhof kommen sie dann wieder zusammen,
die wandernden Körper und die zurückgelassenen Seelen.
Wenn die Seelen nachkommen.
Diese seeuntüchtigen Schiffe da im Mittelmeer, 
die nennt man auch Seelenverkäufer,
Blöd, wenn die Körper noch dazu Nichtschwimmer sind.
Ob Seelen schwimmen können?
Keine Ahnung.
Möchte ich gar nicht wissen.
War nett, wieder mal mit Ihnen geplaudert zu haben.
Gut für die Seele, meiner Seel.



 
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