UNARTEN-VIELFALT.

Satiren
Arovell Verlag 2012
150 Seiten
€ 12,90
ISBN 9783902808165BR>
 
Von der Bedrohung der Arten-Vielfalt wird vielfach gesprochen. Aber wie es den Unarten geht, das interessiert die allerwenigsten. Dieses Buch schafft Abhilfe. Gleich zum Trost: Die Unarten sterben nicht aus. Ihr Überleben gilt als gesichert, ja ein schöner Trend zeichnet sich ab: Die globale Gesamtzahl der Unarten dürfte eher zunehmen. Zumindest solange es Menschen gibt.


 

Leseprobe

DIE ENTWICKLUNG DER UNARTEN

Die Entwicklung der Arten ist ja seit Darwin allgemein recht bekannt. Darwin, das ist der Käfersammler, der bekanntlich den lieben Schöpfergott abgesetzt und den Menschen darauf ordent-lich zurechtgestutzt hat. Ob allerdings heutzutage ein Mensch ernst genommen würde, der gerne Käfer und Steine sammelt und Vögel beobachtet, ist fraglich. Jedenfalls der Darwin, der hat damals beim Käfersammeln und Vögelbeobachten ein paar maßgebliche Prinzipien erkannt, zum Beispiel Mutation und Selektion, Veränderung und Auswahl ? danach entwickelt sich angeblich alles, wenn es sich entwickelt. Diese Prinzipien kennt ja schon jedes Schulkind. Auch wenn es nicht weiß, was ein Vogel oder ein Käfer ist.

Was mich allerdings ja viel, viel mehr interessiert, das ist die Entwicklung der Unarten. Die entwickeln sich ja rasend. Ver¬mutlich gibt's ja schon mehr Unarten als Arten. So ahmen etwa Vögel Handyklingeltöne nach, eine Art tierisches Karaoke. Das ist schon sehr schön abartig. Aber auch die Menschen haben sich auffällig verändert in den letzten Jahren: Einerseits sich angepasst, andrerseits sich und ihre Umwelt verändert. Ich denke da gar nicht an Schönheitsoperationen oder an den Karlheinz Grasser, falls Sie sich an den noch erinnern.

Die erste Unart, die schon vor Jahren auftauchte, das waren diese Kids: Kleine irdische Deppen. Was da mutiert ist, ist nicht ganz klar. Und was sich dadurch verbessert haben soll, auch nicht. Sagen immer "Keine Ahnung", wenn du sie was fragst, diese kleinen, so seltsam selbstbewussten Unartigen. "Keine Ahnung." Frag sie lieber nichts. Sind stolz darauf, dass sie keine Ahnung haben. Keine Ahnung, warum.

Der Darwin erklärt übrigens auch, warum sie so viel Pommes und Fette in sich hineinfressen müssen: Wir sind es einfach seit der Eiszeit gewohnt, möglichst viel Nahrung aufzunehmen, weil man ja nie weiß, wann man das nächste Mammut erlegt. Wir neigen also zu Heißhunger aus Gründen des Überlebens. Und weil die Kids nicht wissen, wann sie zur nächsten Fastfood-ausgabestation kommen, stopfen sie die biggesten Portionen in sich hinein und sichern für kurze Zeit ihr Überleben. Wobei sie ja sowieso vom Aussterben bedroht sind: Weil sie sich ja selbst nicht mögen, pflanzen sie sich nicht mehr fort. Das ist dann Selektion vor der Selektion. Was es gar nicht gibt, kann nicht selektiert werden.

Und dann existiert da noch ein drittes Prinzip nach Mutation und Selektion, das ist die Isolation. Also, auf so einsamen Inseln wie Galapagos oder Australien, isoliert halt, da hat sich ja ein ganz eigenartiger Zoo entwickelt. Und die Isolation, die gibt?s ja auch bei uns. Nicht nur in isolierten Gebirgstälern, wo sich auch einiges Seltsames entwickelt hat, nein, bei den Kids, die isoliert vor ihren Computern sitzen. Und die sich dann zusätzlich noch mit ihren Ohrstöpseln abisolieren. Die leben in ganz eigen-artigen Welten und entwickeln auch seltsame Verhaltensweisen. Wie die Echsen auf Galapagos. Und manchmal schaun sie auch so aus. Man weiß als Darwinist ja auch, dass sich der After aus dem Maul entwickelt hat. Zumindest bei den Ur-Polypen und Ur-Quallen. Lang her, aber sehr plausibel: Drum reden sie ja oft so einen Scheiß, diese Polypen, äh Kids. Da ist die Unart schon früh vorprogrammiert gewesen.

Was ist das? Schaut aus wie 40, zieht sich an wie mit 30, redet wie 20-Jährige und balzt und denkt laut wie 15-Jährige und ist doch schon über 60? Ja, genau, ein lustiger Pensionist. Schon seit 10 Jahren in Pension. Dieser mutierte Menschentyp besetzt aber auch so alle Freizeitnischen: Fitness-Studio, Supermarkt, Schipiste, Restaurant, Park, Kino, Golfclub usw. Breitet sich rasend aus. Fühlt sich überall unheimlich wohl. Von gezielter Selektion keine Spur. Nur mehr rasende Mutation. Dass diese Spezies von der Evolution vorgesehen waren, das kann sich ja nicht einmal ein noch so eingefleischter Darwinist ausdenken. Der Pensionist ist höchstwahrscheinlich die erfolgreichste Art überhaupt. Nicht nur die Stärksten setzen sich durch. Auch nicht unbedingt die Intelligentesten. Das ist vielleicht auch ein Trost. Für mich zumindest.

Die jüngste bekannte Unart ? nein, nicht Lehrer, Politiker oder Journalisten, nein, - nennt sich Finanzberater. Da hatte ich einst einen netten Nachbarn, einen gelernten Spengler und Dachdecker. Dann macht der schnell einen Wochenendkurs, mutiert zum Finanzberater und verkauft mir dann "interessante Finanzprodukte".

"Derivate" hat er gesagt, "Derivate". Mit Win-Win-Zertifikat. Gewinne bei steigendem und fallendem Kurs, also immer. Das Ganze noch dazu in einen total sicheren Versicherungsmantel eingepackt. Von Risiko keine Spur, ganz im Gegenteil, aufgrund irgendeiner Hebelwirkung bist du völlig aus dem Schneider. Total innovativ. "Dir als Nachbar würde ich doch gar nix so Riskantes verkaufen", sagt der zum Finanzberater mutierte Spengler und Dachdecker. Der hat das vielleicht sogar selbst geglaubt, weil er es auch nicht verstanden hat. Wahrscheinlich ist er zu schnell vom Spengler und Dachdecker zum Finanzhai mutiert. Das war wohl eine Art Schock-Evolution. Dann ist er urplötzlich im nächsten Stadium und hat?s geistig noch nicht gar mitvollzogen. Aber fleißig er verkauft immer neue und immer innovativere Finanzprodukte. Früher hat man das ja gewerbsmäßigen Betrug genannt, doch in den letzten Jahren war diese neue Spezies dermaßen erfolgreich, dass sich diese Entwicklung von selbst gerechtfertigt hat.

Über die Entwicklung der Unarten könnten wir hier noch lange plaudern. Ständig kommen ja welche dazu. Heutzutage befindet man sich in guter Gesellschaft, wenn man schlechte Erfahrun¬gen gemacht hat. So weit haben die Unarten schon um sich gegriffen! Die Evolution der Unarten ist eben gnadenlos! Da¬gegen wäre die Abstammung vom Affen leicht zu verkraften. Aussterben werden die Unarten übrigens nicht: Es gibt bereits eine Weltuntergangssamenbank für danach.


RETTET UNS

Wir retten die Wale, wir retten die Kinder, wenn's sein muss: das Abendland, dem Dativ, die Alpen, die Marmelade und die Post vor dem Postvorstand. Wir retten Zigaretten vor den Rauchern, das Christkind vorm Weihnachtsmann, wir helfen Konsumenten und Verbrauchern und rufen bei der Tierrettung an. Doch eines, eines möchte ich wetten: Wir, wir sind sicher nicht zu retten. Mit Garantie - uns retten wir nie. Da ist niemand da, den das int?ressiert, dass dieses dumme Tier gerettet wird. Wir befreien, erlösen, kurieren, sanieren, was bedroht ist oder am Ende. Wir setzen uns ein für bessre Manieren, wir stützen wacklige Wände, wir schützen, beheben, lindern und pflegen, was marod ist oder fast hinüber, legen die Hand auf, geben den Segen und streichen schnell noch mal drüber. Doch eines, eines möchte ich wetten: Wir, wir sind sicher nicht zu retten. Mit Garantie ? uns retten wir nie. Da ist niemand da, den das int?ressiert, dass so was Dummes gerettet wird. Wir retten so Almen, Flüsse und Seen, auch Bäume, die meist im Wege stehn, Marillen vor den bösen Aprikosen, das Kapital vor den Arbeitslosen. Die Ehre, den Sport, den ORF, die Pension von unserem Chef, die Banken, die Autoindustrie, Hausverstand, Intelligenz und Phantasie. Doch eines, eines möchte ich wetten?

 
UNARTEN-VIELFALT.